Es gibt Situationen im Leben, die sind wie sie sind. Andere kann ich beeinflussen. Und solche, die einfach geschehen. Das macht mich sowohl melancholisch, als auch glücklich. Denn scheinen bestimmte Schicksalsschläge nicht in meiner Macht zu stehen zu verhindern, so weiß ich, ein anderes Mal werde ich da sein. Das nächste Mal bin ich nicht zu spät.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, stoße den Spaten in die Erde und werfe einen neuen Schwung Erde in das Erdloch.
„Ruhe in Frieden, mein treuer Freund“, flüsterte ich und spürte, wie eine Träne meine Wange entlang rinnt. Kiran kannte ich mein ganzes Leben. Er ist… Er war ein Phlytalis. Phlytalier unterscheiden sich nicht sehr stark von uns Menschen. Ihre Statur ist größer und ihre Sinne und Instinkte sind stark ausgeprägt. Kiran hatte eisblaue Augen und lange dunkelbraune Haare, die er immer zu einem geflochtenen Zopf trug und ich reichte ihm bis zu seinem Ellbogen.
Abends schlichen wir uns gerne aus dem Dorf und kletterten die Hügel hoch. Wir setzten uns an die Klippen, schauten hinunter auf das in Dunkelheit getränkte Meer und lauschten dem Rauschen der Wellen. Wenn der Mondschein auf Kiran‘s Gesicht fiel, legte er ein Schauspiel preis, dass ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde. Denn nur Kiran ließ mich vollumfänglich daran teilhaben. Sobald der Mondschein Kiran‘s Haut traf, erschienen Zeichen und Symbole auf seinem Körper und seinem Gesicht. Sie stellten sein Leben und seine Emotionen dar. In einer Nacht erschien ein neues Symbol, das mich stutzen ließ.
„Kiran, was hat dieses Symbol zu bedeuten? Es ist mir noch nie zuvor aufgefallen“, staunte ich und fuhr mit einem Finger vorsichtig das Symbol auf seiner linken Brust nach. Es war ein Kreis, der in mehrere Balken geteilt war und durch ein Band zusammengehalten wurde.
Kiran folgte meinem Blick.
„Es ist das, was ich gerade fühle, Lilli. Es ist unsere Freundschaft“, erklärte er. „Der Kreis ist unsere Freundschaft. Doch unsere Wege werden sich trennen, deswegen ist er geteilt. Das Band zwischen uns wird jedoch nie vergehen und wir werden immer einen Weg zueinander finden.“
„Unsere Wege werden sich doch nicht trennen!“ rief ich ungläubig.
„Du wirst sehen“, flüsterte er nur „Der Mond steht schon tief“.
Ich verstand ihn nicht, wollte ihn aber auch nicht weiter darauf ansprechen. Er war wie in sich selbst versunken und die Symbole leuchteten stärker als sonst.